Fazit – CSD Freiburg 2017

Fazit – CSD Freiburg 2017

Fazit – CSD Freiburg 2017

Erfrischen(d) unbeliebt – ein Motto wie der Freiburger CSD

 

Liebe Menschen,

die Organisator*innen des CSD Freiburg stehen jedes Jahr etwas ehrfürchtig am ersten Wagen der Demonstration/Parade und blicken auf Euch alle, die ihr Euch einbringt und einsetzt für die Rechte der queeren Community. Bevor wir die Ereignisse zum Freiburger CSD 2017 Revue passieren lassen, wollen wir daher unsere ersten Worte allen Helfer*innen und Unterstützer*innen widmen, die dieses Spektakel mit uns zusammen ermöglicht haben – nur durch diesen Einsatz konnte die Demonstration, die Kundgebung, das gesamte CSD-Wochenende Realität werden.

Seit wir dem CSD in Freiburg zu neuem Leben verholfen haben sind 4 Jahre vergangen. Seither konnten wir jährlich unsere Teilnehmendenzahl nahezu verdoppeln – unser Konzept geht auf, der umwerfende Erfolg gibt uns recht. Auch dieses Jahr ziehen wir für die Demonstration/Parade und die anschließende Kundgebung im Stühlinger Park insgesamt eine positive Bilanz. Allen Problemen im Vorfeld zum Trotz ist es uns auch 2017 wieder gelungen, ein schönes, großes und liebevolles Fest für alle Menschen zu organisieren. Grund zur Freude war insbesondere die am Tag vorher ergangene Entscheidung zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, was den Freiburger CSD zum deutschlandweit ersten nach der Debatte machte. Zusammen mit der Rehabilitierung und Entschädigung von nach § 175 Verurteilten wurden damit dieses Jahr zwei unserer langjährigen Forderungen erfüllt.

Sich spontan entwickelnde organisatorische Schwierigkeiten konnten wir meist gut abfedern. Zwei Dinge liegen uns dennoch am Herzen: wir möchten uns gerne bei allen Teilnehmenden für die aus einem kurzfristigen Personalengpass entstandene verspätete Öffnung des Crash entschuldigen. Des Weiteren haben sich dieses Jahr leider nicht alle teilnehmenden Wagen an unsere vorher klar kommunizierten Auflagen gehalten. Es gibt ein paar Regeln, die den sicheren Ablauf der Parade sicherstellen. Deshalb appellieren wir an alle teilnehmenden Wagen für nächstes Jahr: Bitte lest unsere Anforderungen für Wägen bei der Parade sorgfältig und setzt die Auflagen (Stadt, Polizei) ebenso um. Solltet ihr bei der Parade von der CSD Orga angesprochen werden, dann folgt bitte den Empfehlungen des Orga-Teams. Dies würde uns die Arbeit erheblich erleichtern.

 

Der CSD Freiburg wird von Vielen getragen und unterstützt. Dafür sind wir dankbar und darauf sind wir stolz. Weil nur das genau einen unkommerziellen CSD möglich macht. Weder die Parade noch die Kundgebungen und andere CSD-Veranstaltungen wurden von kommerziellen Werbebannern erdrückt. Wir sind stolz darauf, euch nach bisherigem Stand auch in diesem Jahr sagen zu können, dass es der Freiburger CSD finanziell gut hinbekommen hat – und zwar ganz ohne Gebühren für Paradewagen, Infostände und Fußgruppen, überhöhte Eintrittspreise oder übermäßiges Sponsoring – ein unkommerzieller CSD ist möglich!

Für uns stehen Inhalte im Vordergrund. Der CSD war und ist für uns eine politische Veranstaltung. Politische Inhalte, Workshops und Diskussionen, sowie queere Kultur- und Partyveranstaltungen, die Kundgebung und die Demonstration durch die Freiburger Innenstadt stehen im Mittelpunkt unseres Handelns.

 

Zahlen

Diese Linie haben wir über die vergangenen Jahre fortgeführt und feiert immer größeren Erfolg. Die Anzahl der Wagen ist auf 15 angewachsen und die Teilnehmer*innen an der Parade haben sich erneut verdoppelt. Die Schätzungen bezüglich der Demoteilnehmer*innen reichen von über 6.000 (Polizei) bis zu 8.000 Personen (CSD-Orga). Die Anzahl der Zuschauer*innen wird sich in einem noch höheren Rahmen beziffern lassen. Mit Sicherheit waren es wieder einmal tausende Menschen, die an diesem Tag für die Rechte von LSBTIQA* auf die Straßen gegangen sind und damit auch international, beispielsweise mit den Aktivist*innen in der Türkei, Solidarität gezeigt haben.

Ein Kernteam aus zwölf Ehrenamtlichen verschiedenster sexueller Orientierungen, körperlicher Ausprägungen, sozialer und geografischer Herkunft sowie aller Altersstufen hat ein Jahr lang darauf hingearbeitet, den CSD Freiburg in dieser Form zu ermöglichen und queere Netzwerke zu erweitern.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Freiburger CSD von hunderten Menschen getragen, von Tausenden unterstützt und noch mehr Menschen in Bewegung gebracht wurde.

 

Awareness

Wir haben uns auch in diesem Jahr von euch einen verantwortungsbewussten Umgang mit euch selbst (Drogenkonzept), mit anderen und eurer Umwelt (Müllkonzept) gewünscht (https://freiburg-pride.de/2017/06/30/awareness-konzept/). Dies bezog sich auch auf den Konsum von Speisen und Getränken (vegan).

Kern unseres Awarenesskonzeptes war, dass wir übergriffiges Verhalten, Homo- und Trans*feindlichkeit, sowie jeden Sexismus, Rassismus, Ableismus und Nationalismus auf unseren Veranstaltungen nicht dulden werden. Tausende Menschen haben zusammen den CSD gefeiert und trotz sexuell aufgeheizter und berauschter Stimmung, Menschenmassen und lauter Musik eine äußerst freundliche, friedliche und respektvolle Atmosphäre geschaffen. Wir bleiben weiterhin in unseren Bemühungen um ein funktionierendes Awarenesskonzept bestärkt und ermutigt genau das weiter auszubauen.

 

Das Besondere am CSD Freiburg

Der Freiburger CSD 2017 war unkommerziell, wie seit 2014 in jedem Jahr. Der unkommerzielle Charakter ermöglicht es uns weder für teilnehmende Paradewagen, noch für Fußgruppen oder Infostände Gebühren zu erheben und damit einen größtmöglichen Zugang für alle zum CSD in Freiburg zu schaffen. Auch hier können wir nur alle anderen CSD ermutigen wieder mehr die eigentliche Sache in den Mittelpunkt zu stellen. Der CSD ist keine kommerzielle Werbeveranstaltung, die durch Werbebanner erschlagen werden sollte, sondern eine politische und das soll auch so bleiben.

Der Freiburger CSD 2017 war antirassistisch und gegen Nationalismus gerichtet, wie seit 2014 in jedem Jahr. Forderungen wie beispielsweise die nach einem Bleiberecht für alle Flüchtlinge sind für uns elementar, unter denen LSBTIQA*-Menschen eine mehrfach bedrohte Gruppe darstellen. Wir werden uns auch weiterhin für die Rechte aller Menschen einsetzen.

Der Freiburger CSD 2017 war antifaschistisch bzw. links, wie seit 2014 in jedem Jahr. Der Wagen der CSD-Orga fuhr unter dem Label der „Antihomophoben Aktion“ der Parade voraus. Die politische Positionierung eines CSD war in ihren Ursprüngen schon immer links, ist links und sollte auch immer links sein. CSDs sind Gedenktage an die Aufstände und Straßenschlachten queerer Menschen in der New Yorker Christopher Street im Jahr 1969. Die politischen Anliegen der queeren Gemeinschaft sind seit jeher Teil antifaschistischer Politik. Dass der offizielle Wagen der CSD-Orga unter der Regenbogenflagge der „Antihomophoben Aktion“ fährt ist also angesichts der CSD-Geschichte eine logische Konsequenz. Für uns als Organisationsteam ist der CSD ganz klar politisch links positioniert.

Der Freiburger CSD 2017 war solidarisch und mit anderen sozialen Bewegungen vernetzt, wie seit 2014 in jedem Jahr. Ausgrenzung und Diskriminierung betrifft Menschen auf vielfältige Weise, sodass wir die queere Bewegung auch mit anderen sozialen menschenbezogenen Bewegungen, der Tierrechtsbewegung und der ökologischen Bewegung verbunden sehen. Wir erklären uns auch in Zukunft mit emanzipatorischen sozialen Bewegungen solidarisch. Im Rahmen dessen war das Catering auf dem Stühlinger Kirchplatz auch dieses Jahr vegan, um diese Verbindungen aufmerksam zu machen. Ein veganer CSD grenzt Menschen nicht aus und wird dies auch künftig nicht tun, weil viele Menschen (Fleischesser*in, Vegetarier*in oder Veganer*in) vegan essen können.

In Vorfeld zum CSD haben wir auch die Demonstration zum G20-Gipfel in Hamburg geteilt. An dieser angemeldeten politischen Demonstration beteiligten sich über 12.000 Menschen bis sie von den Leiter*innen/Polizei aufgelöst wurde. Sie unterstützte nicht die gewalttätigen Ausschreitungen oder weitere Folgen rund um den G20-Gipfel. Ein Aufruf zur politischen Partizipation darf nicht mit einem Aufruf zur Gewalt verwechselt und gleichgesetzt werden.

Personenkult lehnen wir ab, weil es nicht um den Bekanntheitsgrad einzelner, sondern um die gemeinsame politische Sache geht. Wir wünschen uns gerade deshalb auch persönliche Befindlichkeiten zugunsten der politischen Inhalte zu prüfen. Bei unserem Lineup versuchen wir deshalb immer eine Mischung aus regionalen und überregionalen bzw. internationalen Künstler*innen.

 

Kritik

Die offene und barrierearme Struktur des CSD Freiburg ist für uns ein wichtiger Baustein, um Kritik und Weiterentwicklung zu ermöglichen. Kritik ist wichtig, weil sie Prozesse in Gang hält. Wir freuen uns dabei immer über fruchtbare Debatten und konstruktive Vorschläge, sind aber teilweise – gerade im Internet – über die Art und Weise überrascht, wie Kritik angebracht wird und wie sich dabei Einzelne als Kenner*innen oder gar Stellvertreter*innen der LSBTIQA*-Szene bezeichnen. Dabei wurde teils auf Rhetorik bzw. auf Argumentationslinien zurückgegriffen, wie wir sie auch von homo- bzw. trans*feindlicher Hetze aus dem rechtspopulistischen Lager kennen. Gerade auch deshalb wünschen wir uns von unseren Kritiker*innen etwas mehr Besonnenheit und Reflexion bei der Sprachauswahl. Wenn es Kritik gibt, dann wünschen wir uns diese Kritik als ernstgemeinte Kritik, statt unbelegter Behauptungen, persönlicher Anschuldigungen und Verdrehung von Tatsachen. Weiter regen wir an, dass auch die queere Szene, insbesondere unsere Kritiker*innen, weitergehen und über den eigenen queeren Tellerrand hinausschauen und -denken. Unterdrückungsmechanismen sind nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Auch deshalb wünschen wir uns innerhalb der „eigenen“ Reihen mehr Sensibilität für die Belange „anderer“ emanzipatorischer Bewegungen und einen respektvollen Umgang miteinander, innerhalb und außerhalb der Szene.

Der CSD Freiburg lebt von seiner offenen Struktur und ist selbstverständlich auch weiterhin für Kritik und Verbesserungsvorschläge offen – Beteiligt euch!

 

Lieber zwei CSD als gar keinen!

Wir haben uns immer gewundert, warum es über 12 Jahre keine CSD-Demonstration/Parade in Freiburg gab bzw. ein CSD in Freiburg praktisch nicht existent war. Und wir fragen uns wo all diejenigen, die uns seit Anbeginn kritisieren, über all die Zeit waren. Offenbar gibt es unüberwindbare Kritik am CSD Freiburg in seiner jetzigen Form. Auch wir wissen, dass es trotz aller Offenheit unsererseits manchmal auch sein kann, dass es inhaltlich oder personell unüberwindbare Differenzen geben kann, die Personen eventuell davon abhalten könnten sich bei uns einzubringen bzw. sich zu beteiligen. In diesem Fall wollen wir alle, die sich beim Freiburger CSD, wie wir ihn verstehen, nicht aufgehoben fühlen bzw. einbringen wollen, dazu ermutigen sich selbst für die LSBTIQA*-Gemeinschaft zu engagieren und selbst einen CSD in Freiburg auf die Beine zu stellen. Ein weiterer CSD kann Freiburg und der Region sicher nicht schaden, vielmehr bereichert er auch die Belange der LSBTIQA*-Gemeinschaft. Wir bieten gerne an, dabei behilflich zu sein und beratend zur Seite zu stehen.

Der Freiburger CSD ist und bleibt politisch links, unkommerziell, antirassistisch, antifaschistisch, vegan, antihierarchisch, sensibel für die Belange aller Menschen innerhalb der LSBTIQA*-Gemeinschaft und solidarisch mit allen Gruppen der queeren Bewegung sowie mit anderen emanzipatorischen sozialen Bewegungen.

In diesem Sinne bedanken wir uns nochmals ganz herzlich bei allen, die uns unterstützt haben.

Damit wir unserer Linie auch weiterhin treu bleiben können, bitten wir euch, den Freiburger CSD auch weiterhin zu unterstützen. Spendet bitte, damit der CSD auch weiterhin ein unkommerzielles Projekt bleiben kann (https://freiburg-pride.de/kontakt-spenden/).

Kommt zu den offenen Planungstreffen und engagiert euch beim CSD-Verein. Bringt euch und eure Ideen ein!

Euer CSD-Freiburg-Orga-Team

 

Danksagungen

Danke an alle Spender*innen,

Danke an alle ehrenamtlichen Helfer*innen,

an alle, die vom Malen der Transparente, über das Tragen der Botschaften auf der Demonstration/Parade bis hin zum Schleppen der Stromkabel, Generatoren, Pavillons, Tische und Auf-/Abbau der Technik beteiligt waren,

Danke an alle, die trotz Regen und Dunkelheit mitgeholfen haben, den Park mitaufzuräumen und Müll eingesammelt haben,

Danke an alle, die sich tagelang mit der Technik, Strom und Wasser, Verkabelungen, dem Abmischen der Musiker*innen und dem Aufbau der Bühne abgemüht haben,

Danke an die bildenden Künstler*innen und Handwerker*innen, die sich mit dem Bau der vielen bunten CSD-Wagen so richtig ins Zeug gelegt haben,

Danke an unsere LKW-Fahrer*innen und deren Team,

Danke an Zündstoff für die Orga-Shirts,

Danke an die Thermos Club Sauna Freiburg,

Danke an alle, die uns zu minimalen Gebühren mit Veranstaltungstechnik versorgt haben,

Danke an das fantastische und vegane Catering während der Veranstaltungen auf dem Stühlinger Kirchplatz,

Danke an alle Clubs und Lokalitäten, die uns ihre Veranstaltungsräume für die CSD-Partys zur Verfügung gestellt haben,

Danke an das Regenbogenreferat der Uni Freiburg für die Unterstützung der CSD-Party in der Mensa,

Danke an die CSD-Moderator*innen Martha Magnum und Candy Crystal,

Danke an alle Redner*innen, die auf der Abschlusskundgebung sowie CSD-Veranstaltungen über die politischen Belange der LSBTIQA*-Community und über ihre ganz persönlichen Biografien informiert haben,

Danke an alle Künstler*innen, die uns mit ihren Performances und DJ-Sets in den Clubs erfreut und bereichert haben,

Danke an alle Einsatzkräfte der Polizei und der Sanitätsdienste, die für einen reibungslosen Ablauf und für Sicherheit gesorgt haben,

Danke an alle Gruppen und Initiativen der queeren Szene für ihre Teilnahme und Unterstützung,

Danke auch an alle, die spontan mitangepackt haben

… und vielen Dank an alle, die wir in dieser Liste eventuell vergessen haben.

Ein ganz herzliches DANKE an euch ALLE – der CSD war nur mit euch zusammen möglich.